Learn4Life ist eine non-profit Organisation, die eine erschwingliche Lernförderung für mehr Chancengleichheit in der Grundbildung anbietet. Im Blogpost «Learn4Life – Digitalisierung für mehr Chancengleichheit» haben wir einen Überblick der Plattform gegeben und in «Learn4Life – Erfolg ohne Fixpreis-Offerte und vorgeschobene Konzeptionsphase» einblicke in unser Vorgehen gegeben. In diesem Interview erfahrt ihr, wie sich unsere Arbeitsweise für Stefan Stuck den Geschäftsleiter von Learn4Life angefühlt haben und weshalb er überhaupt unsere Unterstützung brauchte.
Was ist deine Rolle bei Learn4Life?
Stefan Stuck: «Ich bin seit 2011 Geschäftsleiter der Learn4Life. Es handelt sich dabei um die einzige Non-Profit-Schule der Schweiz, die sich mit erschwinglicher Lernförderung für Chancengleichheit und Integration einsetzt. Heute besuchen uns wöchentlich fast 500 Schülerinnen und Schüler an zwei Standorten, die von fast 60 Lehrpersonen betreut werden. Natürlich bieten wir auch Fernunterricht an. Als Geschäftsleiter bin ich primär verantwortlich für das gesamte operative Geschäft. Ich bin jedoch auch für die strategische Weiterentwicklung der Schule verantwortlich und präsentiere dem Vorstand regelmässig neue Projekte. Wird ein solches Projekt abgesegnet, bin ich ebenfalls für dessen Realisierung verantwortlich.
Als Non-Profit-Organisation sind wir bestrebt, die Schule mit eine möglichst schlanken Overhead zu leiten. Nur so können wir ein erschwingliches Angebot sicherstellen, dass sich möglichst alle Eltern leisten können. Im Hinblick auf die Chancengleichheit ist dies absolut zentral. Die Geschäftsleitung besteht deshalb aus nur zwei Personen bzw. insgesamt 150 Stellenprozenten. Meine rechte Hand ist Raphael Trüssel, der mich als Stv. Geschäftsleiter in allen operativen Tätigkeiten unterstützt.»
Was war die grösste Herausforderung, die Du vor dem Projekt mit Deiner bestehenden Lösung hattest?
Stefan: «Wir sehen jeden Tag, welche positiven Auswirkungen unser Angebot hat. Unser Ziel ist deshalb, es möglichst vielen Schülerinnen und Schülern zugänglich zu machen. Dafür werden natürlich neue Standorte benötigt. Mit unserer bisherigen Softwarelösung war es undenkbar, neue Standorte ohne eine völlig unverhältnismässige Erhöhung des Overheads zu eröffnen. Wir hätten uns in den operativen Prozessen verzettelt - sofern wir nicht von ihnen begraben worden wären. Die bisherige Lösung war nicht umfassend genug, weshalb sie mit diversen weiteren Tools ergänzt wurde - diese waren aber alle nicht auf unser Geschäftsmodell zugeschnitten. Und schon gar nicht auf mehrere Standorte.
Viele Workarounds wurden im Laufe der Zeit nötig, um nur schon einen stark wachsenden Standort effektiv zu leiten. Dabei den Überblick zu behalten, ist bei einer zunehmenden Zahl an Standorten sowie an Schülerinnen und Schülern jedoch völlig unmöglich. Ausser man versucht den immer grösser werdenden Flickenteppich mit immer mehr Angestellten zusammenzuhalten. Es war für uns deshalb schon immer klar: Wollen wir bei mindestens gleichbleibender Qualität wachsen, ohne dabei den Overhead immer mehr aufzublasen, benötigen wir eine massgeschneiderte, auf ein Wachstum ausgerichtete Verwaltungssoftware, die möglichst viele operative Prozesse automatisiert und damit die Geschäftsleitung maximal entlastet.»
Ihr hattet zu Beginn eure Bedenken über das iterative Vorgehen mit re:thinc, weshalb?
Stefan: «Unser Vorstand, der über den Partner entscheidet, der für uns eine massgeschneiderte Lösung entwickeln soll, arbeitet ehrenamtlich für die Learn4Life. Hauptberuflich sind sie in grossen Unternehmen wie Apple und Securitas tätig, in denen das iterative/agile Vorgehen aktuell noch wenig verbreitet ist. Solche Unternehmen sind sich hauptsächlich das herkömmliche, weit verbreitete «Big Design Up Front» Modell gewohnt. Dies bietet eine hohe Kostenkontrolle, da die Anforderungen im Vorfeld umfassend analysiert und spezifiziert werden. Anschliessend wird die gewünschte Softwarelösung bis auf Mockup-Ebene genau projektiert und ein Kostenvoranschlag festgelegt - nach Möglichkeit natürlich mit Kostendach.
Der Vorteil für den Kunden ist bei diesem Vorgehen die Kostenkontrolle und die Sicherheit, dass in der Regel das umgesetzt wird, was ursprünglich projektiert wurde. Unser Vorstand war ausschliesslich bereit, einem solchen Vorgehen zuzustimmen. Das iterative/agile Vorgehen bietet - auf den ersten Blick - keine solche Kontrolle, weshalb es nicht in Erwägung gezogen wurde.»
Wie hast Du den Entscheidungsprozess erlebt, ein Projekt ohne detaillierten Anforderungskatalog zu starten?
Stefan: «Mit diversen potentiellen Partnern haben wir im Laufe von fast 10 Jahren versucht, auf die herkömmliche Weise zu unserer gewünschten Softwarelösung zu kommen - jedoch ohne Erfolg. Die Vorteile des «Big Design Up Front» Vorgehens stehen nämlich erheblichen Nachteilen gegenüber.
So haben wir vor einigen Jahren mit dem vielversprechendsten Partner die Projektierung in Angriff genommen und diese vollständig umgesetzt. Mit dem Resultat, dass wir fast CHF 40’000.- dafür investiert haben. Nur um dann festzustellen, dass die Umsetzung mindestens doppelt so teuer wird, wie ursprünglich vermutet. Zudem wurde betont, dass jegliche künftige Änderungen unserer Anforderungen bzw. die nachträgliche Anpassung des geplanten Projekts zusätzliche Kostenfolgen hätten - die Sache war also auch noch sehr unflexibel, was ein weiteres Risiko für uns darstellte. Als Non-Profit-Organisation mit beschränktem Budget waren wir deshlab gezwungen, auf die Umsetzung zu verzichten und standen vor einem Scherbenhaufen.
In der Folge haben wir festgestellt, dass selbst die detaillierten Unterlagen der Projektierungsphase wertlos waren, da andere Unternehmen die Sache wieder von Grund auf neu projektieren wollten - mittlerweile für viel mehr als CHF 40’000.-. Die Grobschätzungen für die Gesamtlösung vor Projektierung bewegten sich zudem in Sphären, die wir uns schlicht nicht leisten konnten.
Nachdem wir die Hoffnung fast schon aufgegeben hatten, hatte ich das grosse Glück, das iterative Vorgehen bei re:thinc kennenzulernen. Beim iterartiven/agilen Vorgehen werde auf eine detaillierte Projektierung der Gesamtlösung verzichtet. Man projektiere Schritt für Schritt und beginne dabei beim MVP (Minimum Viable Product). Einer ersten Version der angestrebten Gesamtlösung, die bereits einen Mehrwert bietet. Darauf basierend würden dann - eines nach dem anderen - weitere Module bzw. Iterationen projektiert und umgesetzt. Der Vorteil lag für uns auf der Hand: Man spart sich die Kosten einer umfassenden Projektierung und kann nach einigen wenigen Meetings gleich mit der Umsetzung der ersten Version loslegen.
Unser Vorstand hätte diesem Vorgehen ursprünglich nicht zugestimmt, da sie von Anfang an die umfassende finanzielle Kontrolle über die Gesamtlösung haben wollten - am liebsten mit Kostendach.
Aufgrund der Tatsache, dass es jedoch keine Alternativen gab, hat man dennoch einer ersten Iteration zugestimmt - schliesslich war diese genau so teuer wie an anderen Orten die reine Projektierung. Mit dem erheblichen Unterschied, dass wir im besten Fall ein Resultat hätten, das wir bereits nutzen können und uns einen Mehrwert bieten.
Nur, wenn das Resultat überzeugend sei, würde der Vorstand dann weiteren Iterationen zustimmen.
Heute sind wir bei Iteration Nr. 13 und unsere Softwarelösung kann bereits viel mehr, als wir es jemals zu projektieren gewagt hätten. Und die effektiven Kosten liegen dabei immer noch tiefer als jede Schätzung, die wir von anderen Unternehmen erhalten haben. Eine absolute Erfolgsgeschichte.»
Gab es Momente im Projekt, in denen Du die Vorteile des iterativen Vorgehens besonders deutlich gespürt hast?
Stefan: «Als Geschäftsleiter wurde mir schliesslich die volle Verantwortung für die Umsetzung der Softwarelösung übertragen. Das Vertrauen des Vorstandes in das iterative/agile Vorgehen ist mittlerweile so gross, dass ich Iterationen selber absegnen kann, sobald die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stehen.
Das Tolle ist, dass wir dank den bisherigen Iterationen auf ein Verwaltungssystem aufbauen, das mittlerweile sehr mächtig geworden ist. Dies erleichtert uns bspw. das Finden von Spendern, da diese sehr schnell vom Mehrwert ihrer Investition überzeugt werden können.
Gleichzeitig ist das Vorgehen im Gegensatz zum «Big Design Up Front» Vorgehen extrem flexibel. Von Iteration zu Iteration kann man neu entscheiden, welche Features den grössten Mehrwert bieten und diese dann entwickeln lassen. Dank präziser Kostenschätzungen - die bisher noch nie überschritten wurden, weil sie auf den Erfahrungen der vorangehenden Iterationen basieren - haben wir zudem eine umfassende Kostenkontrolle. Und das, ohne dabei auf die Flexibilität verzichten zu müssen.
Zudem hat man auch während der Entwicklungsphase immer die volle Kontrolle über den aktuellen Stand und kann sich jederzeit mit den Entwicklern austauschen. So habe ich die Möglichkeit, ein «falsches Abbiegen» immer rechtzeitig zu erkennen und die Entwicklung in die gewünschte Richtung zu steuern. Dies ist erneut ein riesiger Vorteil im Vergleich zum «Big Design Up Front» Vorgehen, da man dort nur mit Kostenfolgen eingreifen kann und hauptsächlich darauf vertrauen muss, dass die Gesamtlösung nach deren Entwicklung den Erwartungen entspricht.
Die Lösung, die wir nun mit dem iterativen/agilen Vorgehen entwickelt haben, unterscheidet sich stark von unserem ursprünglichen Pflichtenheft, da wir während der Entwicklungsphase viele Optimierungen und Veränderungen haben einfliessen lassen können.
Das Resultat ist ein in allen Belangen besseres Produkt, das wir laufend weiterentwickeln. Und ein Ende ist nicht in Sicht.»
Wie hat sich der agile Ansatz auf Deine Sichtweise zu Softwareprojekten im Allgemeinen ausgewirkt?
Stefan: «Ich würde mich nie mehr für das «Big Design Up Front» Vorgehen entscheiden. Das iterative/agile Vorgehen ist für uns in allen relevanten Bereichen effektiver und zielführender. Zu dieser Erkenntnis kamen wir bereits nach einigen wenigen Iterationen. Während dieser Zeit konnten wir ein grosses Vertrauen in das Vorgehen aufbauen. Wichtig ist natürlich, dass man auch einen vertrauenswürdigen Partner hat.
Und wir könnten uns keinen besseren Partner als re:thinc vorstellen. Jeder einzelne Mitarbeiter, der in unser Projekt involviert ist, arbeitet mit einem herausragenden Engagement und denkt über den sprichwörtlichen Tellerrand hinaus. Als Geschäftsleiter der Learn4Life mit ihnen zusammenzuarbeiten macht nicht nur Freude, sondern ist darüber hinaus bereichernd. Das hätte ich im Vorfeld so nicht erwartet.»
Wie wurdest du während des Projekts in den Entwicklungsprozess eingebunden?
Stefan: «Ich bin umfassend involviert und habe zu jeder Zeit die volle Kontrolle über den Entwicklungsfortschritt einer jeden Iteration. Jeder dieser Entwicklungsschritte wird durch re:thinc genau dokumentiert und muss vor Release von mir abgesegnet werden. Sind Anpassungen nötig, werden diese umgesetzt. Das Tolle dabei ist, dass re:thinc immer mitdenkt und mir in vielen Fällen gute Anpassungs- oder Lösungsvorschläge unterbreitet, die auch programmiertechnische Sicht und zukünftige Weiterentwicklungen berücksichtigen. Wenn man offen dafür bleibt und bereit ist, seine eigenen Vorstellungen immer wieder zu überdenken, profitiert die Softwarelösung schliesslich sehr davon.
Ich sehe darüber hinaus, wie viele Stunden für jedes auch noch so kleine Feature investiert wurden. Damit kann ich also nicht nur das Budget einer Iteration festlegen - ich habe auch die volle Kostenkontrolle während der laufenden Entwicklung.»
Würdest Du diesen Ansatz auch anderen Organisationen empfehlen? Warum?
Stefan: «Wie bereits betont, würde ich mich nie mehr für das «Big Design Up Front» Vorgehen entscheiden. Das iterative/agile Vorgehen ist für uns in allen relevanten Bereichen effektiver und zielführender. Ich kann mir nach unseren bisherigen Erfahrungen nicht vorstellen, dass andere Organisationen zu einer abweichenden Erkenntnis gelangen können - unter dem wichtigen Vorbehalt eines zuverlässigen, vertrauenswürdigen Partners wie wir ihn mit re:thinc gefunden haben.»
Wie hat die neue Softwarelösung die Arbeitsweise bei Learn4Life verändert?
Stefan: «Die neue Softwarelösung erspart uns mittlerweile rund 60-70% operativer Arbeitszeit. Gleichzeitig ermöglicht sie uns, neue Standorte zu eröffnen, organisch zu wachsen und neue Projekte in Angriff zu nehmen. Dank vieler wertvoller Features steht dabei die Qualität des Angebots immer im Zentrum. Wir haben heute viel mehr Zeit für persönliche Gespräche mit Schülerinnen und Schülern, mit Eltern und natürlich mit unseren Lehrpersonen. Und das, obwohl wir mittlerweile fast doppelt so gross sind, wie zu Beginn der Entwicklungsphase unserer neuen Verwaltungssoftware.»
Welche Rolle spielt die neue Software für die zukünftige Entwicklung von Learn4Life?
Stefan: «Die Software ist mittlerweile zum Fundament unserer Vision geworden: Erschwingliche Lernförderung in der ganzen Schweiz anzubieten und damit umfassend Chancengleichheit und Integration zu fördern. Mit der bisherigen Lösung hätten wir maximal zwei Standorte führen können. Nun sind uns in dieser Hinsicht keine Grenzen mehr gesetzt.»
Haben sich Deine Erwartungen an das Projekt erfüllt?
Stefan: «Klar übertroffen!»
Gibt es etwas, das Du anderen Unternehmen oder Organisationen raten würdest, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen?
Stefan: «Nehmt Kontakt mit re:thinc auf und lasst euch beraten. Startet dann in die erste Iteration und baut Vertrauen in das neue Vorgehen auf.
Für uns hat dieser erste Schritt alles verändert und hat im wahrsten Sinne scheinbar Unmögliches möglich gemacht.»
Stefan Stuck
Seit 2011 übernimmt Stefan die Geschäftsleitung von Learn4life. In seiner Rolle hat er die Verantwortung für das Tagesgeschäft und die Weiterentwicklung der Schule mit innovativen Projekten.